Früheste römische Militärlager durch Bodenradar entdeckt
Carnuntum ist die größte archäologische Landschaft Mitteleuropas. Beinahe die gesamte römische Stadt, die einst über 10 Quadratkilometer bedeckte, ist bis heute unter den Feldern und Weingärten 40 km östlich von Wien in der Erde erhalten. Das Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) und die ZAMG erkunden gemeinsam mit ihren internationalen Partnern seit 2012 im Auftrag des Landes Niederösterreich den Untergrund von Carnuntum. Mit den modernsten zerstörungsfreien Prospektionsmethoden wird aus der Luft und am Boden an der Auffindung und Sichtbarmachung des im Boden verborgenen archäologischen Erbes gearbeitet.
Nach der Entdeckung der weltweit einzigartigen Gladiatorenschule hat das internationale Forscherteam bereits über sechs Quadratkilometer mit den motorisierten Multi-Sensor-Systemen zur Messung des Erdmagnetfeldes und mit hochauflösenden Bodenradarsystemen durchleuchtet. Das Bodenradar ermöglicht es, die Überreste der römischen Stadt durch den Einsatz elektromagnetischer Wellen dreidimensional am Computerbildschirm abzubilden. Die reale archäologische Landschaft wird in eine virtuelle Landschaft umgewandelt, deren Untergrund von den Spezialisten mithilfe Software-basierter Werkzeuge erforscht werden kann.
Am West-Ausgang der römischen Stadt hat sich demnach entlang der römischen Straße nach Vindobona (Wien) ein ausgedehntes Straßendorf entwickelt. Unter den Resten dieses Dorfes - in den tieferen Datenschichten verborgen - entdeckten die Forscher des LBI ArchPro einen typischen Befestigungsgraben eines direkt an der Donau gelegenen römischen Zeltlagers im Ausmaß von ca. 6 Fußballfeldern (57.600 m2). Aufgrund der späteren Überbauung gehen die Wissenschaftler davon aus, dass es sich bei diesem Zeltlager um eines der frühesten Militärläger im Rahmen der römischen Okkupation des Raumes von Carnuntum handeln dürfte.
Außerhalb des Stadtgebiets wurden zahlreiche weitere Zeltlager entdeckt, deren zeitliche Einordnung jedoch schwierig ist. Aufgrund von historischen Aufzeichnungen ist bekannt, dass bedingt durch die strategische Bedeutung von Carnuntum an der nördlichen Reichsgrenze immer wieder große Truppenkontingente zusammengezogen wurden. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. organisierte Kaiser Marcus Aurelius von Carnuntum aus Feldzüge gegen die Markomannen. Wie viele weitere Militärlager im direkten Umfeld der Stadt Carnuntum errichtet wurden, werden die weiteren Messarbeiten dieses Forschungsprojektes zeigen, die nach der Ernte fortgesetzt werden und bis Jahresende 2014 abgeschlossen sein sollen.